Jesus Christus ist der Herr! Phil 2, 11

Die Midianiter

Midian, ein Nachkomme Abrahams

Die Geschichte der Midianiter beginnt gut – Midian war ein Sohn Abrahams: 32 Und die Söhne der Ketura, der Nebenfrau Abrahams: Sie gebar Simran und Jokschan und Medan und Midian und Jischbak und Schuach 1. Chr 1, 32. Doch das bedeutet nicht, dass Midian bereits aus diesem Grund in besonderer Weise gesegnet war, wie etwa Isaak, der ebenfalls ein Sohn Abrahams war, denn nicht, weil sie Abrahams Nachkommen sind, sind alle Kinder, sondern ‹in Isaak wird dir eine Nachkommenschaft genannt werden.› 8 Das ist: Nicht die Kinder des Fleisches, diese sind Kinder Gottes, sondern die Kinder der Verheissung werden als Nachkommen gerechnet Röm 9, 7. 8. Midian war zwar ein Nachkomme Abrahams, aber nicht der Nachkomme, der Nachkomme der Verheissung, denn die Verheissung galt nur Isaak. So wird etwa in Röm 4 ausführlich dargelegt, dass die Verbindung zu Abraham, die vor Gott etwas zählt, geistlicher Natur ist, dass also die als Nachkommen Abrahams gerechnet werden und in die Linie der Verheissung gelangen, welche gleich wie Abraham glauben, während die rein fleischliche Verwandtschaft mit Abraham diesbezüglich in den Hintergrund tritt. Weil auch die fleischliche Linie der Verheissung nicht über Midian, sondern eben über Isaak verlief, besagt die Tatsache, dass Midian ein Sohn Abrahams war, noch nicht allzu viel. Mag sein, dass er damit einen bevorrechtigten Platz einnahm, dass er dadurch mitgesegnet wurde, aber sicherlich nicht derart, dass er deswegen in irgendeiner Weise dem Volk Gottes zugerechnet werden konnte.

Der weitere Verlauf der Geschichte zeigt denn auch, dass sich zwischen den Midianitern und den Israeliten keine besondere Beziehung entwickelte, und dass die Midianiter keine wesentliche Rolle in der Geschichte aus der Sicht Gottes spielten. Erst in der Geschichte Josephs, der von seinen Brüdern verkauft wurde, spielten die Midianiter eine – unrühmliche – Rolle: 36 Und die Midianiter verkauften ihn nach Ägypten, an Potiphar, einen Hofbeamten des Pharaos, den Obersten der Leibwache 1. Mose 37, 36. Daraus ersehen wir, dass die Midianiter keine andere Stellung einnahmen als die anderen Völker auch: Sie lebten ihr Leben, trieben Handel und hatten weder Erkenntnis noch Verständnis über die Wege Gottes. Zwar waren die erwähnten Midianiter Teil des grossen Plans Gottes mit Joseph und seinen Brüdern, doch wussten sie offensichtlich selbst nichts davon; sie gingen einfach ihren Geschäften nach, kauften einen Sklaven und verkauften ihn wieder.

So sind alle Menschen von Natur aus: Sie leben ihr Leben, kümmern sich um das, was vor Augen ist, und womit sie tagtäglich konfrontiert werden, aber sie suchen nicht nach Gott, fragen nicht nach Ihm, haben kein Verständnis über Seine Wege, erkennen weder Sein Handeln noch Seine Vorsätze – kurzum: Gott spielt keine grosse Rolle in ihrem Leben. Doch das ist völlig am wahren Leben vorbeigelebt! Der Mensch wurde als ein Gegenüber Gottes geschaffen (1. Mose 1, 26. 27; vgl. auch die eindrückliche Anwendung von 1. Mose 2, 24 auf das Verhältnis Christus – Versammlung in Eph 5, 31. 32), es ist seine Bestimmung, sein wahres Glück und der Quell seiner Freude, Gemeinschaft mit Gott zu haben. Wer nicht nach dieser Gemeinschaft trachtet, ist wie ein Fahrzeug, das nicht zum Fahren benutzt wird: Es sieht schön aus, aber es erfüllt seinen Zweck nicht und gelangt nicht ans Ziel seiner Bestimmung – das, wofür es ausgelegt ist, bleibt ihm unbekannt.

Wie schön ist es, wenn wir vor diesem Hintergrund von der nächsten Erwähnung der Midianiter in 2. Mose 2, 15–22 lesen! Mose, der Mann Gottes, erwählt, das Volk Israel aus der Sklaverei Ägyptens zu befreien, flieht vor dem Pharao nach Midian, gelangt zum Priester Midians und heiratet eine der Töchter dieses Priesters, die ihm einen Sohn gebiert. Wenn wir die Midianiter als Menschen betrachten, die nicht nach Gott fragen und Ihn nicht suchen, und wenn sie damit die Menschheit im Allgemeinen versinnbildlichen, die Welt, dann ist es eine Freude zu lesen, dass der Mann Gottes zu den Midianitern geht. Denn das bedeutet nichts anderes, als dass Gott nach den Menschen sucht, dass, wenn sie nicht zu Ihm kommen wollen, Er zu ihnen geht, ihnen nachgeht. Wie herrlich ist diese Tatsache, die bereits unmittelbar nach dem Sündenfall bezeugt wird (1. Mose 3, 9) und ihre herrliche Entfaltung in diesem Wort findet: Der Sohn des Menschen ist gekommen, zu suchen und zu erretten, was verloren ist Lk 19, 10. Ja, der Mensch, der nicht nach Gott fragt und Ihn nicht sucht, der ist verloren, doch Gott, der Herr, gibt ihn nicht auf, sondern sucht nach ihm, geht ihm nach und ruft ihn bei seinem Namen! Deshalb ist der Herr Jesus auf diese Erde gekommen, hat Er am Kreuz gelitten, um die Strafe, die uns treffen sollte, an Seinem Leib zu tragen und uns mit Gott zu versöhnen, damit wir wieder zu unserer Bestimmung gelangen und wahres Leben haben können. Gepriesen sei Sein Name!

Beachten wir, dass Mose, der in diesem Zusammenhang, wie bereits angetönt, als Bild auf den Herrn Jesus gesehen werden kann, keine Frau aus Israel ehelichte, sondern eine aus Midian. Die Möglichkeit, mit Gott ins Reine zu kommen, mit Ihm versöhnt zu werden, Gemeinschaft mit Ihm zu haben, steht nicht nur einer Auswahl besonders bevorrechtigter oder gesegneter Menschen zu, sondern allen Menschen, Menschen wie mir und dir, die nicht nach Gott fragen und nur an dem interessiert sind, was vor Augen ist. Bitte, liebe Leser und Leserinnen, verachtet nicht diese grosse Gnade und schätzt sie nicht gering! Heute, wenn ihr seine Stimme hört, 8 verhärtet eure Herzen nicht! Hebr 3, 7. 8; Wir bitten an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott! 2. Kor 5, 20.

Die Midianiter werden zu Feinden

Völlig unvermittelt – der Schwiegervater Moses war zwischendurch zum Volk Israel gestossen (2. Mose 18) – wurden die Midianiter jedoch zu Feinden Israels. Als Balak, der König der Moabiter aus Furcht versuchte, Bileam zu benutzen, um das Volk Israel zu verfluchen, liessen sich die Midianiter davon beeinflussen und schlossen sich dem unheilvollen Vorhaben an (4. Mose 22, 4. 7).

Ja, war denn nicht Mose, der Mann Gottes, zu den Midianitern gekommen, und hatte er sich nicht eine Frau aus ihrer Mitte genommen, und unterhielt er nicht freundschaftliche, gute Beziehung zum Priester Midians? Es ist wahr, die Gnade Gottes war den Midianitern erschienen, so wie sie in Jesu Christo allen Menschen erschienen ist: 11 Denn die Gnade Gottes ist erschienen, heilbringend für alle Menschen Tit 2, 11, doch das bedeutete nicht, dass damit das Volk der Midianiter etwa mit Gott versöhnt worden wäre, gleichwie auch jetzt nicht alle Menschen mit Gott versöhnt sind. Es ist zwar wahr, dass der Herr Jesus grundsätzlich für alle Menschen am Kreuz gestorben ist, dass sich das Angebot Gottes an jeden einzelnen Menschen richtet (vgl. Joh 3, 16; 1. Tim 2, 4; 2. Petr 3, 9), aber es ist ebenso wahr, dass es an jedem einzelnen Menschen liegt, ob er von diesem Angebot Gebrauch machen will (vgl. Joh 3, 18. 36). Ist es nicht so, dass eine Schenkung nur dann zustande kommt, wenn der Beschenkte das Geschenk auch annimmt? Deshalb: Wenn sich das Gnadenangebot Gottes an alle Menschen richtet, bedeutet das nicht, dass alle dadurch automatisch mit Ihm versöhnt würden. Nein, wer das Angebot annimmt, ist errettet, wer davon nichts wissen will, bleibt verloren. Möchten wir doch den Ernst dieser Tatsache ernsthaft bedenken!

Die Midianiter blieben also offensichtlich weitgehend ungerührt ob der Gnade Gottes, die ihnen in Mose erschienen war, und sie liessen sich auf blosse Gerüchte hin dazu verführen, dem Volk Gottes die Stirn zu bieten. Das war aber nicht etwa ein grosser Schritt in Richtung Verderben, denn bereits wer gleichgültig gegenüber dem Herrn Jesus ist, ist nicht mit Ihm, sondern gegen Ihn (Mt 12, 30). Und: War es nicht die Welt, die den Herrn Jesus letztlich ans Kreuz genagelt und getötet hat, obwohl Er ihr nichts als Güte erwiesen hatte? Gewiss, würde Er heute nochmals in Knechtsgestalt auf diese Erde kommen, Er würde wiederum getötet! 7 Die Welt kann euch nicht hassen; mich aber hasst sie, weil ich von ihr zeuge, dass ihre Werke böse sind Joh 7, 7; 20 Denn jeder, der Böses tut, hasst das Licht und kommt nicht zu dem Licht, damit seine Werke nicht blossgestellt werden Joh 3, 20.

Die Verunreinigung Israels

Der Plan der Moabiter und der Midianiter ging nicht auf; es wurde Bileam verwehrt, das Volk Gottes zu verfluchen (4. Mose 23. 24). Doch Bileam – wie gefährlich ist es doch, wenn sich Erkenntnis Gottes mit Geldgier vermischt! – war nicht verlegen, einen anderen Plan zu ersinnen: Er riet den Moabitern und den Midianitern, das Volk Israel durch Vermischung zu schwächen (4. Mose 31, 15. 16; Offb 2, 14).

Ach, Israel, das von Gott so reich gesegnete und in Seinen Augen so herrliche Volk (4. Mose 23. 24), tappte in die Falle, übertrat das Gebot Gottes (vgl. 2. Mose 34, 12–16; bezieht sich zwar nur auf die Bewohner Kanaans, enthält aber einen grundlegenden Grundsatz mit Gültigkeit auch in Bezug auf andere Völker) und versündigte sich schwer am Herrn, indem es mit den Töchtern Moabs hurte, sich vor ihren Göttern beugte und dem Baal-Peor anhing (4. Mose 25, 1–3). Es muss nicht ausgeführt werden, wie schlimm diese Sache in den Augen Gottes war; 24 000 Israeliten starben an der Plage, die Folge davon war (4. Mose 25, 9).

Die Vermischung mit der Welt, mit denen, die nicht an den Herrn Jesus glauben, ist eine schlimme Sache. Denn welche Genossenschaft haben Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit? Oder welche Gemeinschaft Licht mit Finsternis? 15 Und welche Übereinstimmung Christus mit Belial? Oder welches Teil ein Gläubiger mit einem Ungläubigen? 16 Und welchen Zusammenhang der Tempel Gottes mit Götzenbildern? 2. Kor 6, 14–16. Mit «Vermischung» ist dabei nicht jede Form von Gemeinschaft gemeint, denn es ist der Wille des Herrn, dass wir in der Welt bleiben und von Ihm zeugen, wobei selbstverständlich Kontakte mit solchen, die nicht an den Herrn Jesus glauben, nicht zu vermeiden sind und nicht vermieden werden sollen. Nein, «Vermischung» meint, sich so mit der Welt eins zu machen, als wäre man immer noch ein Teil von ihr, sich so zu verhalten, als gehörte man noch zur Welt, sich also beispielsweise in der Politik zu engangieren, rein gesellschaftliche Kontakte zum eigenen Vergnügen zu pflegen (und es dabei tunlichst zu vermeiden, den Namen des Herrn Jesus zu nennen) und vieles andere mehr. Es geht darum, Freundschaft zu schliessen mit der Welt – mit der Welt, die den Herrn Jesus gekreuzigt hat. 4 Ihr Ehebrecherinnen, wisst ihr nicht, dass die Freundschaft der Welt Feindschaft gegen Gott ist? Wer nun irgend ein Freund der Welt sein will, erweist sich als Feind Gottes Jak 4, 4.

Wir sollten uns in diesem Zusammenhang nichts vormachen: Nur allein durch unsere Gegenwart oder durch unsere Verbindung mit der Welt können wir diese nicht heiligen – im Gegenteil: Wir selbst werden verunreinigt, genauso wie drei Mass Mehl durch etwas untergemengten Sauerteig völlig durchsäuert wird (Mt 13, 33). 33 Lasst euch nicht verführen: Böser Verkehr verdirbt gute Sitten 1. Kor 15, 33. Konnte die Vermischung Israels mit den Moabitern und den Midianitern also Gutes bewirken? Nein, weder Moab noch Midian wurden geheiligt; vielmehr wurde Israel verunreinigt. Wenn wir meinen, wir seien klüger als Gott, wenn wir uns über Sein Wort hinwegsetzen – das diesbezüglich mehr als klar ist –, dann wird uns das nur Verlust und Leid einbringen. Die Verlockungen der Welt sind trügerisch, Freundschaft mit der Welt führt ins Elend.

Die Rache Israels an Midian

Wenn es aber zur Vermischung gekommen ist, wenn wir mit der Welt Freundschaft geschlossen haben, wie ist dann vorzugehen? Da liefern uns die tatsächlichen Ereignisse wertvolle Lehren. Zuerst gebietet der Herr Mose: 2 Übe Rache für die Kinder Israel an den Midianitern; danach sollst du zu deinen Völkern versammelt werden 4. Mose 31, 2. Der letzte öffentliche Dienst Moses für das Volk Israel sollte es also sein, das Volk anzuleiten, Rache an den Midianitern zu üben. Dass es sich um den letzten Dienst Moses handelt, verleiht dem Auftrag eine besondere Feierlichkeit. Jedenfalls wurde von Israel eine klare Entscheidung gefordert: Für oder (entschieden) gegen Midian!

Hätten die Israeliten das Wort Gottes in ihren Herzen bewahrt, wären sie nicht in die Falle getappt, ihr Verhältnis zu den Midianitern wäre weiterhin neutral geblieben. Es hätte keine Vermischung gegeben, aber auch keine Feindschaft, denn Midian gehörte nicht zu den Völkern Kanaans, gegen welche Israel in den Krieg ziehen sollte. In Bezug auf Midian hätte gegolten, was in Bezug auf alle Menschen gilt: 18 Wenn möglich, soviel an euch ist, lebt mit allen Menschen in Frieden Röm 12, 18. Nachdem es aber zur Vermischung gekommen war, war es nicht mehr länger möglich, eine solch neutrale Stellung einzunehmen, denn das hätte bedeutet, die Vermischung und damit Sünde zu dulden. Nein, nach der Vermischung war nur noch weitere Vermischung oder Krieg möglich – gegen oder für Midian, für oder gegen den Herrn.

Doch es wäre zu einfach, der Sache nicht angemessen, ihr zu wenig auf den Grund gehend, wenn es damit getan gewesen wäre, Rache an den Midianitern zu üben, alle ihre Männer zu töten. Freilich war die Vermischung deren Idee gewesen, hatten sie diese grosse Sünde gewollt herbeigeführt, doch das Volk Israel hatte ebenso sehr das Gebot Gottes übertreten und sich selbst verunreinigt, indem es sich auf die Vermischung einliess. Beide Völker trugen Schuld an der Verunehrung des Namens Gottes, beide hatten diese Schuld zu tragen.

Interessanterweise, aber nach den vorherigen Ausführungen nicht weiter verwunderlich, zogen die Israeliten nicht unter der Führung Josuas in den Kampf, wie dies etwa beim Kampf gegen Amalek (2. Mose 17, 9) und später beim Kampf gegen die Völker Kanaans der Fall war (vgl. 5. Mose 3, 28), sondern unter der Führung Pinehas’, des Priesters, und zwar hatte er die heiligen Geräte und die Trompeten zum Lärmblasen 4. Mose 31, 6 in seiner Hand. Es handelte sich bei diesem Kampf also nicht nur um Kampf, sondern auch um Reinigung des Volkes selbst. Der Kampf betraf nicht nur Midian, sondern auch Israel, das nötig hatte, unter der Führung des Priesters und Verwendung der heiligen Geräte den Zustand der Verunreinigung zu überwinden, sich selbst zu reinigen von aller Sünde.

Merken wir uns diese Grundsätze! Sind wir zu weit gegangen, haben wir Freundschaft mit der Welt geschlossen, uns mit ihr vermischt, so ist – anders als vor der Vermischung – Entschiedenheit für den Herrn gefragt. Haben wir uns beispielsweise, nachdem wir zum Glauben an den Herrn Jesus gekommen sind, wie zuvor weiterhin mit unseren alten Freunden getroffen und mit ihnen gar getrunken und gewitzelt und dergleichen, als ob sich in unserem Leben nichts ereignet hätte, so werden wir an den Punkt gelangen, an dem wir uns fragen müssen, ob wir so fortfahren – und damit den Herrn verleugnen und uns selbst verunreinigen – wollen, oder ob wir uns entschieden von diesen unseligen Verbindungen lossagen wollen. Das muss nicht bedeuten, den Freunden zu sagen, dass man nichts mehr mit ihnen tun zu haben will. Angemessener ist es, ihnen aufzuzeigen, dass man einen anderen Weg eingeschlagen hat, den man mit Entschiedenheit beschreiten will, und dass es mit diesem Weg nicht vereinbar ist, weiterhin Zeit mit Trinkerei und Witzelei zu vergeuden. Vielleicht kann mit einem solchen entschiedenen Geständnis ja sogar das eine oder andere Herz erweicht und damit eine Grundlage für weitere Gemeinschaft in Gottseligkeit gelegt werden? Wie dem auch sei, und welche Punkte es auch betrifft, eine halbherzige Entscheidung hilft nicht weiter, sondern macht nur alles noch schlimmer. Sind wir zu weit gegangen, müssen wir mit aller Kraft versuchen, uns von dieser Verunreinigung zu lösen. Das muss – im bildlichen Sinn – so weit gehen, dass wir nicht nur alle Männer Midians töten, sondern auch alle Frauen, die einen Mann im Beischlaf erkannt haben, und alle männlichen Kinder (4. Mose 31, 17). Ein sehr ernstes Wort, das hoffentlich die Herzen derer, die es betrifft, durchbohrt und sie zur Umkehr leitet.

Feuer des Gerichts und Wasser der Reinigung

Gepriesen sei der Herr! Die Rache an Midian hatte nicht nur die Reinigung des Volkes Israel zur Folge – Israel konnte vielmehr noch grosse Beute machen. Dieser Gedanke ist sehr kostbar, denn er ist ein weiterer Ausdruck der nicht enden wollenden Gnade und Barmherzigkeit Gottes. Denn wäre es nach Gerechtigkeit nicht angemessen gewesen, wenn Israel Rache an den Midianitern geübt, sich selbst gereingt und dann doch noch beschämt oder zumindest mit leeren Händen da gestanden wäre? Hätten die Israeliten nicht äusserst froh sein müssen, wenn sie wenigstens wiederhergestellt worden wären? Wenn sie am Ende wenigstens wieder an dem Punkt angelangt wären, an dem sie gewesen waren, bevor sie das Gebot Gottes übertraten? Gewiss, aber die Gnade Gottes erschöpfte sich nicht darin, sondern ging erheblich weiter, indem den Israeliten, wie erwähnt, grosse Beute zuteil wurde und sie damit aus dieser üblen Sache besser hinausgingen als sie hineingegangen waren. Wie ist das aber zu verstehen?

Besonders schön wird der hinter dieser Tatsache stehende Gedanke in Bezug auf das Metall der Midianiter dargestellt: Das Gold und das Silber, das Kupfer, das Eisen, das Zinn und das Blei, 23 alles, was das Feuer verträgt, sollt ihr durchs Feuer gehen lassen, und es wird rein sein; nur soll es mit dem Wasser der Reinigung entsündigt werden 4. Mose 31, 22. 23. Diese Dinge durfte sich Israel aneignen, aber nur, nachdem sie zweifach gereinigt worden waren, einmal durch das Feuer des Gerichts und einmal durch das Wasser der Reinigung.

Das Feuer spricht, wie erwähnt, von Gericht, denn gewisse, vor Gott wertlose Dinge, werden durch das Feuer vollständig verzehrt, andere aber, vor Gott wertvolle Dinge, überstehen nicht nur das Feuer, sondern werden durch das Feuer gereinigt und geläutert (vgl. Offb 3, 18). Dieser Gedanke wird besonders schön an folgender Stelle – die sich übrigens einzig auf Christen bezieht – ausgeführt:

12 Wenn aber jemand auf diesen Grund baut Gold, Silber, wertvolle Steine, Holz, Heu, Stroh, 13 so wird das Werk eines jeden offenbar werden, denn der Tag wird es klar machen, weil er in Feuer offenbart wird; und welcherart das Werk eines jeden ist, wird das Feuer erproben. 14 Wenn das Werk jemandes bleiben wird, das er darauf gebaut hat, so wird er Lohn empfangen; 15 wenn das Werk jemandes verbrennen wird, so wird er Schaden leiden, er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer. 1. Kor 3, 12–15

Das Feuer macht völlig offenbar, welcherart ein Werk ist, ob es nützlich oder unnütz ist. Es gibt keine Dinge, die so, wie sie waren, aus dem Feuer hinauskommen, nichts bleibt, wie es war – einiges kommt strahlender und herrlicher aus dem Feuer hervor, anderes gar nicht oder versengt. Deshalb zeigt das Feuer, ob etwas im Lichte Gottes wirklich Bestand hat oder nicht.

In Bezug auf das Metall der Midianiter wiederholt der Gedanke, dass man es durchs Feuer gehen lassen soll, dass völlige Entschiedenheit im Hinblick auf Gott gefragt war – so entschieden Israel auf den Befehl des Herrn hin sich von Midian lösen und gegen es in den Kampf ziehen sollte, so entschieden sollten sie alles, was sie erbeuteten (zumindest alles Metall) im Feuer Gottes prüfen, ob es Bestand habe oder nicht. Nur das, was durch das Feuer geläutert wurde, durfte behalten werden. Völlige Entschiedenheit und völlige Übereinstimmung mit den Gedanken Gottes sind also die Grundlage dafür, dass aus einer unseligen Verbindung mit der Welt unter Umständen nicht nur Wiederherstellung, sondern allenfalls sogar Gewinn resultieren kann.

Was das Wasser der Reinigung betrifft, so finden sich die entsprechenden Anordnungen in 4. Mose 19. Es handelte sich um Wasser, dem unter anderem die Asche eines ganz besonderen, einmaligen Opfers beigemengt war. Wer jene Anordnungen studiert, wird die Schönheit und Erhabenheit derselben erkennen – sie weisen auf das einmalige, für alles vollkommen genügende Opfer des Herrn Jesus Christus hin, das durch Wort und Geist Gottes auf jene angewendet wird, die sich auf dem Weg durch die Wüste verunreinigt haben. Denn wenn wir sündigen, so muss Christus nicht erneut am Kreuz sterben, aber es ist nötig, dass uns bewusst gemacht wird, dass es genau solche Taten sind, die dieses schreckliche Opfer notwendig gemacht haben.

Das ist ein wichtiger Gedanke. Unsere Errettung, die Erlösung von der Sünde, die Sühnung unserer Sünden haben uns zwar nichts gekostet – Dank sei dem Herrn dafür, dass die Errettung jedem Menschen kostenlos zur Verfügung steht! –, aber sie sind nicht kostenlos, denn sie haben (uns zwar nichts, aber) den Herrn Jesus alles gekostet. Ja, Er hat sich völlig hingegeben, um diese Möglichkeit zu erkaufen, hat alles von sich gegeben, damit uns kostenlos das Angebot der Versöhnung mit Gott offen steht – anbetungswürdiger, hoch gepriesener Heiland! Wenn wir nun nicht Seinem Willen gemäss wandeln, wenn wir uns an Ihm versündigen, dann heisst das immer auch, das uns offenbar vergessen gegangen ist, was es den Herrn Jesus gekostet hat, uns in diese bevorzugte Stellung zu versetzen, in der wir uns grundsätzlich befinden. Der Herr bewahre, dass es anders sein sollte, denn das würde bedeuten, Sein Opfer absichtlich gering zu schätzen, Ihn mit Füssen zu treten, das Blut des Bundes für gemein zu achten und den Geist der Gnade zu schmähen. Wenn es aber nicht mit Vorsatz geschehen ist, wenn es also «bloss» so ist, das uns der Wert Seines Opfers irgendwie vergessen gegangen ist, dann ist das richtige Mittel, uns wieder zurecht zu bringen, die Behebung dieses grundlegenden Fehlers, das heisst, uns vor Augen zu führen, was Sünde in den Augen Gottes ist, und was es den Herrn Jesus gekostet hat, uns davon zu befreien. Das wird durch die Asche der roten jungen Kuh im Wasser der Reinigung vorgebildet, wobei das Wasser das durch den Geist angewandte Wort Gottes versinnbildlicht. Das Wasser der Reinigung ist in diesem Sinne auch ein Zurechtrücken unserer Sicht der Dinge.

Wie könnte denn auch irgendetwas vor Gott von Wert sein, wenn es keinen Bezug zum Herrn Jesus aufweisen würde? Sein Opfer ist immer die Grundlage, ist der Grund all dessen, was im Lichte Gottes und in Ewigkeit von Wert und Bestand ist. Wir können nichts «erbeuten», das keinen Bezug zum Opfer des Herrn Jesus aufweist.

Deshalb: Wenn es irgendeinen Gewinn aus einer Verbindung geben kann, die nicht recht ist in den Augen Gottes, dann nur, wenn wir uns entschieden davon lossagen, wenn wir entschieden dagegen vorgehen, wenn wir uns selbst reinigen, wenn wir das Feuer des Gerichts anwenden und wenn wir das Wasser der Reinigung anwenden. Dann, nur dann, ist es möglich, dass ein Fehltritt uns letztlich Gewinn bringen kann (nicht muss, denn alles ist Gnade).

Die Tat Pinehas’

Wie diese Grundsätze in den Anweisungen für das gesamte Volk gesehen werden können, kommen sie auch sehr schön im Handeln Pinehas’ zum Ausdruck:

6 Und siehe, ein Mann von den Kindern Israel kam und brachte eine Midianiterin zu seinen Brüdern, vor den Augen Moses und vor den Augen der ganzen Gemeinde der Kinder Israel, als diese am Eingang des Zeltes der Zusammenkunft weinten. 7 Und als Pinehas, der Sohn Eleasars, des Sohnes Aarons, des Priesters, es sah, da stand er auf aus der Mitte der Gemeinde und nahm eine Lanze in seine Hand; 8 und er ging dem israelitischen Mann nach in das Innere des Zeltes und durchstach sie beide, den israelitischen Mann und die Frau, durch ihren Bauch. Da wurde die Plage von den Kindern Israel abgewehrt. 9 Und die an der Plage Gestorbenen waren 24 000. 10 Und der Herr redete zu Mose und sprach: 11 Pinehas, der Sohn Eleasars, des Sohnes Aarons, des Priesters, hat meinen Grimm von den Kindern Israel abgewandt, indem er in meinem Eifer in ihrer Mitte geeifert hat, so dass ich die Kinder Israel nicht in meinem Eifer vertilgt habe. 12 Darum sprich: Siehe, ich gebe ihm meinen Bund des Friedens; 13 und er wird ihm und seinen Nachkommen nach ihm ein Bund ewigen Priestertums sein, weil er für seinen Gott geeifert und für die Kinder Israel Sühnung getan hat. 4. Mose 25, 6–13

Pinehas eiferte für den Herrn und wandte sich entschlossen und entschieden gegen die Sünde des Volkes, hier gesehen in der Verbindung eines Israeliten mit einer Midianiterin. Er schonte weder die Midianiterin noch den Bruder aus dem eigenen Volk, sondern zeigte vollkommenen Eifer für den Namen des Herrn und griff zum rechten Mittel. Dafür wurde ihm ein ewiges Priestertum gegeben.

Diese Begebenheit zeigt, dass der israelitische Mann, der gegenüber der Sünde, aber auch gegenüber der Ehre Gottes und gegenüber seinem Opfer gleichgültig war – ja, der ganz Israel offensichtlich herausforderte, indem er seine Tat vor den Augen aller beging! –, Schaden erlitt (und mit ihm auch 24 000 andere Israeliten). Vermischung mit der Welt bringt so gesehen also wirklich Leid und Verlust. Auf der anderen Seite zeigt diese Begebenheit aber auch, dass Sünde, wenn sie offenbar wird und entschieden dagegen vorgegangen wird, letztlich durch die Gnade Gottes nicht nur keinen Verlust, sondern sogar Gewinn bringen kann. Dies aber nur, wenn wirkliche Entschiedenheit und völlige Entschlossenheit an den Tag gelegt werden, verbunden mit dem Feuer des Gerichts und dem Wasser der Reinigung. Das ewige Priestertum, das Pinehas für seine Tat verheissen wurde, ist so gesehen genauso ein Beispiel für den Segen Gottes wie das Gold und Silber der Midianiter, das den Israeliten gegeben wurde.

Möchten wir uns doch ein Vorbild an Pinehas nehmen, der nicht erst auf den Befehl des Herrn wartete, sondern sofort, spontan und richtig handelte und für den Herrn eiferte. Genau diesen Eifer sollen wir anwenden, wenn es um Sünden in unserem eigenen Leben geht, genauso eifrig sollen wir uns davon lossagen und die Ehre des Herrn suchen. Dann wird der Herr vielleicht schenken, dass uns nach einem Fehltritt sogar noch Gewinn zuteil wird.